Erfahren Sie, wie Sie durch erfolgreiche Mitarbeiterführung in Krisenzeiten aus dem Umbruch als Gewinner hervorgehen. Ein Fachjournalist führte anlässlich des Erscheinens meines neuen Buchs, „Toolbox Objectives and Key Results: Transparente und agile Strategieumsetzung mit OKR“, das nachstehende Interview mit mir, das in mehreren Fachzeitschriften erschienen ist.
Krisen und Umbruchsituationen agil managen
Für das Managen nicht nur der aktuellen Corona-Krise benötigen die Unternehmen zum Teil andere Management-Tools als in normalen Zeit. Die Strategieberaterin Dr. Daniela Kudernatsch empfiehlt ihnen in ihrem neuen Buch unter anderem die OKR-Methode.
Frau Dr. Kudernatsch, Mitte März erschien Ihr neues Buch zum Thema Agile Strategieumsetzung mit OKR. Zu einem ungünstigeren Zeitpunkt hätte Ihr Werk kaum erscheinen können.
Kudernatsch: Warum?
Weil zurzeit alle Welt nur über das Thema Corona spricht und sich für die Themen „Agile Strategieumsetzung“ und „OKR“ niemand interessiert.
Sie haben insofern recht, dass zurzeit unsere OKR-Manager-Ausbildung auf eine eher geringe Resonanz stößt, weil die Leistungsträger in den Unternehmen aktuell mit wichtigeren und dringlicheren Dingen beschäftigt sind als sich weiterbilden.
Wie zum Beispiel die Lieferketten und die Liquidität ihrer Unternehmen zu sichern.
Ja. Anders sieht es jedoch bezogen auf das Thema Agile Strategieentwicklung und -umsetzung aus. Hier sind das Interesse und der Bedarf sehr groß.
Unternehmen wissen nicht: Was ist morgen?
Warum?
Weil in einer Krisensituation wie der aktuellen kein Manager weiß, wie es weitergeht, und mit welche Einschlägen sein Unternehmen, um es drastisch zu formulieren, noch rechnen muss. Deshalb können die Unternehmen sozusagen nur auf Sicht fahren. Das heißt, gerade jetzt ist in ihnen eine hohe Agilität gefragt. Hinzu kommt: Da sich zurzeit – zumindest gefühlt – fast täglich die Rahmenbedingungen ändern, wissen die Unternehmen aktuell auch nicht, welches taktische und strategische Vorgehen wirklich zielführend ist. Sie können letztlich nur Hypothesen und hierauf aufbauende, mögliche Szenarien entwickeln und dann täglich prüfen, inwieweit die dahinter steckenden Annahmen zutreffend sind, um anschließend ihr Vorgehen neu auszurichten.
In der Krise formiert sich der Markt neu
Sie müssen also, wie die Agilität-Jünger sagen würden, inkrementell und iterativ vorgehen.
Ja, in solchen Krisen-, ich würde sogar sagen Marktumbruchsituationen haben die Unternehmen oft keine andere Wahl als ausgehend vom übergeordneten Ziel „Wir wollen die Krise meistern oder gar gestärkt aus ihr hervorgehen“ irgendwelche Versuchsballons zu starten, dann regelmäßig zu überprüfen, ob der eingeschlagene Weg sie ihrem Ziel näher bringt, und gegebenenfalls den Kurs zu korrigieren.
Sie benutzten soeben den Begriff Marktumbruchsituation. Warum?
Ein alter Beraterspruch lautet „In Krisenzeiten formiert sich der Markt neu“. Dies wird auch im Gefolge der Corona-Krise geschehen. In ihm werden sich die Paradigmen des unternehmerischen Handelns zum Teil ändern und in dem damit verbundenen Change-Prozess wird es wie bei jeder Krise neben Verlierern auch Gewinner geben.
OKR ist keine neue Wunderwaffe – auch bei der Führung in der Krise
Und OKR ist die neue Wunderwaffe, die sicherstellt, dass Unternehmen zu den Gewinnern zählen?
Die Managementmethode „Objectives and Key Results“, kurz OKR, ist weder neu, noch eine Wunderwaffe, obwohl unter anderem die amerikanischen Unternehmen Google, Oracle und Twitter zum Teil seit über 20 Jahren erfolgreich mit ihr arbeiten. Sie ist jedoch eine bewährte Methode zur Strategieumsetzung insbesondere auf der operativen Ebene. Sie wurde bereits vor circa 35 Jahren von Andy Grove, einem ehemaligen Intel-Manager, auf Basis des „Management by Objectives“ bzw. „Führens mit Zielen“ zum Umsetzen solch ambitionierter Unternehmensstrategien wie „Wir wollen der Marktführer weltweit werden“ entwickelt.
Wovon aktuell vermutlich wenige Unternehmen träumen.
Gewiss. Doch OKR ist auch ein smartes Tool, um Krisensituationen zu managen.
Inwiefern?
Zwei Anforderungen von Grove an das von ihm entworfene Managementsystem waren: Es muss einfach und flexibel sein und die Mitarbeiter in die Strategieentwicklung und -umsetzung einbinden. Und als zentralen Schlüssel hierzu erachtete er die beiden Fragen: „Wo will ich hin?“ (Objectives) und „Woran messe ich, ob ich mein Ziel erreicht habe?“ (Key Results). Entsprechend leicht verständlich und letztlich handhabbar ist die OKR-Methode.
Ziele werden kurzzyklisch vereinbart
Offen gesagt, revolutionär klingt das für mich nicht.
Das ist die Methode auch nicht. Ein entscheidender Unterschied zum Beispiel zum „Management by Objectives“ ist jedoch, dass die Ziele bzw. Objectives und Key Results nicht im Jahresrhythmus, sondern viel kurzzyklischer vereinbart werden: zum Beispiel im 3-Monatsrhythmus. In Krisenzeiten wie der aktuellen können dies auch vier oder nur zwei Wochen sein.
Was vermutlich dem Bedürfnis der Unternehmen entgegen kommt, wenn sie ohnehin nicht wissen, wie es weiter geht.
Ja, denn durch das kurzzyklische Vereinbaren und Überprüfen des Grads der Zielerreichung werden die Unternehmen sehr agil und lassen sich Entwicklungsprozesse effektiv steuern.
Das klingt logisch. Doch wie funktioniert die Arbeit mit der OKR-Methode nun konkret?
Ausgehend von der Strategie bzw. den obersten Unternehmenszielen legt das Top-Management fünf Ziele bzw. Objectives zum Beispiel für das kommende Quartal fest. Diese werden durch maximal vier Messgrößen, sprich Key Results operationalisiert, um den Fortschritt am Ende des vereinbarten Zeitraums zu messen. Dabei beschreiben die „Objectives“ das „Was“, das es zu erreichen gilt. Sie geben also die Richtung vor. Die „Key Results“ hingegen beschreiben, „Wie“ das Ziel erreicht werden soll – und zwar in messbaren Ergebnissen, die Auskunft über den Fortschritt geben und mit denen zum Beispiel am Quartalsende reflektiert werden kann: Wurden die Key Results erreicht? Die Führungskräfte und ihre Mitarbeiter müssen beim Arbeiten mit dieser Methode also exakt definieren, was sie im kommenden Quartal vorhaben und in Angriff nehmen. Das sorgt für die gewünschte Prioritätensetzung und beugt einem Verzetteln vor.
Durch klare Absprachen Verschwendung vermeiden
Was vermutlich in Krisenzeiten, wenn die Ressourcen an Zeit und Geld oft ohnehin knapp sind, wichtig ist.
Ja. Sind auf der Top-Ebene im Unternehmen die Objectives und Key Results definiert, werden diese auf die nächste Ebene, zum Beispiel die Bereiche, heruntergebrochen. Dies geschieht bei der OKR-Methode nicht in einem reinen Top-down-Verfahren. Vielmehr lautet eine Faustregel: Circa 60 Prozent der Ziele kommen von oben und circa 40 Prozent werden bottom-up definiert. Das heißt: Die jeweils nächste Ebene kann auch eigene Ziele definieren, von denen sie überzeugt ist, dass diese dem Erreichen des übergeordneten Ziels dienen. Dieser Prozess mündet in einer Art Verhandlung zwischen der oberen und unteren Ebene, in der ein Agreement über die zum Beispiel im kommenden Quartal zu erreichenden Objectives und Key Results erzielt wird.
Und wie wird die nötige bereichsübergreifende Abstimmung erreicht?
Alle vereinbarten Objectives und Key Results werden bereichs- und hierarchieübergreifend veröffentlicht – auch um zu verhindern, dass die Ziele widersprüchlich sind. Zudem wird durch eine bereichs- und hierarchieübergreifende Abstimmung der OKRs sichergestellt, dass alle Aktivitäten in der Organisation auf die gleichen und wichtigsten Ziele ausgerichtet sind.
Was wiederum einer Ressourcenverschwendung vorbeugt.
Richtig. Beim Einführen der OKR-Methode sollten Unternehmen jedoch nie vergessen: Das Definieren der Objectives und Key Results allein befähigt die Mitarbeiter nicht, diese auf teils neuen Wegen zu erreichen. Deshalb setzt das Arbeiten mit der OKR-Methode eine Führungskultur voraus, bei der die Führungskräfte sich als Befähiger bzw. Coaches ihrer Mitarbeiter verstehen.
Was vermutlich zuweilen eine unternehmensweite Einführung der OKR-Methode erschwert?
Ja, oft empfiehlt sich eine Einführung nur in ausgewählten Bereichen. Außerdem sollten den
Mitarbeitern Tools wie der PDCA-Zyklus oder der A3-Report an die Hand gegeben werden, mit denen sie das systematische, eigenständige Lösen von Problemen einüben können.
OKR mit den etablierten Tools kombinieren
Das klingt schlüssig. Doch glauben Sie, dass viele Unternehmen in der aktuellen Wirtschaftssituation dafür offen sind, eine neue Managementmethode einzuführen?
Warum nicht, sie brauchen ja ein Instrumentarium, um die Krise zu managen. Außerdem hat die OKR-Methode den Vorzug, dass sie sich einfach mit solchen Managementsystemen wie der Balanced Scorecard und dem „Management by objectives“ verknüpfen lässt, die eher dem Erreichen der mittel- und langfristigen Ziele dienen. Zudem müssen die Unternehmen ja, wie bereits gesagt, die Methode nicht gleich in ihrer gesamten Organisation einführen. Meine Empfehlung würde nicht nur der aktuellen Situation eher lauten: Führt die Methode erst mal nur in den Bereichen ein, die im Betriebsalltag sehr agil agieren müssen, weil sich die Rahmenbedingungen ihres Handels rasch ändern.
Welche Bereiche könnten dies in der aktuellen Wirtschaftssituation sein?
Dies hängt vom Geschäftsfeld des Unternehmens und dessen Marksituation ab. Aber dies können durchaus auch das Controlling, die Beschaffung oder der Vertrieb sein.
Frau Dr. Kudernatsch, danke für das Gespräch.
Dr. Daniela Kudernatsch ist Gründerin und Geschäftsführerin der Unternehmensberatung KUDERNATSCH Consulting & Solutions.
Sie ist eine erfahrene Strategieexpertin mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung. Fr. Dr. Kudernatsch hat in den Neunzigerjahren praktische Erfahrungen in verschiedenen Unternehmen gesammelt und berät seit 2001 Unternehmen national und international bei der Einführung von Managementsystemen. Hierzu zählen u.a. Hoshin Kanri, OKR (Objectives & Key Results), Balanced Scorecard, Lean Management.
Außerdem ist sie Bestseller-Autorin zahlreicher Managementbücher und wird häufig zu Key Notes oder Impulsvorträgen gebucht.
Dr. Daniela Kudernatsch